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Panikattacken sind arm

Ich bin mit ziemlich guten Grundanlagen in das Geldverdienen-Leben gestartet. Ich komme zwar “nur” aus einer Arbeiterfamilie (was meine statistischen Bildungschancen sinken lässt — das war in den 80ern sicher auch so) aber meinen Eltern war es immer wichtig, dass ich da einen guten Start bekomme. Das hatte z.B. den Nachteil, dass ich kein aktives Plattdeutsch gelernt habe, weil den Eltern gesagt wurde, man müsse mit dem Kind hochdeutsch sprechen, weil es das sonst später nicht ordentlich lernt. Zweite Muttersprache adieu.

Aber ich hab schon in der Grundschule Glück gehabt, weil die Stadt es sich damals noch leisten wollte, eine Zwergenschule zu betreiben. Das heißt, es gab nur zwei Lehrer gab und auch nur zwei Klassenräume, in denen je zwei Klassen zusammen unterrichtet wurden. In meinem Jahrgang waren dann auch nur vier SchülerInnen. Machen wir uns nichts vor: Bei vier Leuten sind die Chancen, dass man da Beste ist, ziemlich groß. Und darum hab ich als Kind das Mindset mitbekommen, dass ich von ALLEN Kindern das Klügste bin (und am besten singen kann). Sowas als Kind zu glauben ist enorm wichtig für den späteren Lebens- und Bildungsweg.

Der Zahn wurde mir zwar in der weiterführenden Schule schnell gezogen, aber im Kern bleibt das Mindset. Dazu kommen dann ein bisschen genetisches Glück, dass mir Sprache ganz gut liegt und meine Soft Skills, ganz gut mit Leuten und auch mir selbst umgehen zu können. Und nicht zuletzt auch meine konservative Herangehensweise an das Leben, so dass ich früh wusste, “was ich mal werden will”. Nach Tierärztin (Noten zu schlecht) und Kriminalpsychologin (Noten zu schlecht) war das dann ganz klar Lehramt.

Meine Güte, schon drei Absätze und ich hab bisher nur gesagt, wie toll ich alles kann.

Long Story Short, im dritten Studienjahr kam die Angststörung. Und da konnte ich Dinge nicht mehr so toll. Ich hab zu Ende studiert (Bachelor in Regelstudienzeit, Master in 2,5facher Zeit) aber ein Referendariat bricht ja durchaus auch psychisch stabile Menschen. Daran war also nicht mehr zu denken. Generell wirkte ein normaler “irgendwo hingehen”- Job nicht machbar.

(Psychisch) kranke Menschen sind statistisch häufiger von Armut betroffen als Gesunde. Und gleichzeitig ist Armut ein großer Risikofaktor für psychische Gesundheit. Das ist eine ziemlich beschissene Spirale. Da gibt es Leute, die krank werden und ihren Job aufgeben müssen, weil sie ihn nicht mehr ausüben können. Und fast noch mehr Mitgefühl habe ich für die, die ihren Job WEITERMACHEN (müssen), in erster Linie aus simplen, ausrechenbaren finanziellen Gründen aber auch zum Teil aus nicht greifbarer Zukunftsangst. Weil die meisten unserer Lebensläufe immer noch eher geradlinig verlaufen, auch wenn die jetzige jüngere Generation sich drauf einstellt, viele Berufsstationen im Leben zu haben. Etwas aufzugeben, ohne, dass was Besseres in Aussicht steht, gilt oft als Niederlage. Und manchmal fehlt einfach die Fantasie — ich sage das ohne Abwertung. Wenn man das nicht gelernt hat, wie soll man sich vorstellen, dass man sich irgendwie durchwurschteln wird und out of the box denken kann?

Ich hab da echt Glück gehabt, dass meine Angststörung so früh los ging. Ich war noch nicht im Job drin und konnte schon meine Nebenjobs an der Panik ausrichten. Und bin dann einfach dabei geblieben. Bei den Nebenjobs meine ich. Das Schöne am Geldausgeben ist ja (zumindest oft), dass man immer das ausgibt, was man hat. Und ich hab “einfach” nicht meinen Lebensstil erhöht. So hab ich in meinem ganzen Erwachsenenleben noch nie wirklich “viel” Geld verdient, manche würden sagen/denken, nie meinen Fähigkeiten angemessen, aber ich hab’s auch nie gebraucht. Vielleicht musste ich mir mal Geld leihen (ich erinnere mich da an meine erste Steuernachzahlung) oder hab die letzte Woche des Monats von meinem Pfand gelebt, aber das ging für mich alles. Und dafür kann ich nicht nur arbeiten, WO ich will -meist zu Hause- sondern hab auch komplett freie Zeiteinteilung. Ich finde immer mal wieder einen neuen Online-Job, den ich machen will und kann* und lebe sparsam — wofür soll ich das Geld auch groß ausgeben außer Essen und Computerspiele?

Ich möchte wirklich dazu animieren, wenn man im Job leidet -eigentlich auch schon, wenn man als Gesunde:r im Job unglücklich ist, aber speziell wenn es ein psychisches Leiden ist- das zu ändern. Sich das zu trauen. Es gibt auch Hilfsangebote von Institutionen, sowohl was Beratung angeht, als auch Gelder. Ich kenne mich mit diesen Geldern leider gar nicht aus, man hört immer, dass der Prozess langwierig und frustrierend ist, aber das ist ja manchmal die Arbeit durchaus auch. Es geht. Sicher nicht für jede:n, aber für viele, denen es aktuell unmachbar vorkommt. Manchmal braucht es dann ein bisschen Restrukturierung der finanziellen Organisation.

Über finanzielle Bildung mach ich noch einen Eintrag.

*Bitte keine Anfragen, was man denn als Ungelernte:r so an Homeoffice-Jobs mit freier Zeiteinteilung machen kann. Es gibt zig Blogs und Portale, die sich mit sowas auseinandersetzen und darüber wesentlich besser informieren können — außerdem heißt ja “ungelernt” nicht “ohne Talent dafür”, also muss man ja dennoch was finden, was den eigenen Fähigkeiten entspricht und nicht, was die Bloggerin aus dem Internet auch macht

Autor

Tiffi

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