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In guten wie in schlechten Zeiten

Ich schreibe über meine Panikattacken hier ja meist aus einer Warte heraus, dass alles schon ganz gut ist, wie es ist. Und dass man annehmen soll und dass man akzeptieren kann und dass eigentlich alles gar nicht so schlimm ist.

Und meistens empfinde ich das auch so. Aber manchmal gibt es auch Phasen, die – bei jedem – schwerer sind, wenn es beruflich, privat, gesundheitlich, whatever (für manche reicht vermutlich schon, dass der Fußballverein auf einem Abstiegsplatz steht) nicht angenehm ist.

Und in sowas steck ich gerade.

Selbstwahrnehmung vs Fremdwahrnehmung vs IST-Zustand

Ich halte mich selber für jemanden, die echt alles irgendwie immer nimmt und statt einem “warum?” immer ein “ok, isso” im Kopf hat. Aber wenn es mir dann mal richtig schlecht geht, frage ich mich schon, ob das wirklich die Wahrheit ist.

Manche, die mir folgen, haben es vermutlich mitbekommen, dass beruflich bei mir gerade ein Umbruch statt findet.

Dabei ist es nicht mal ein Umbruch eigentlich. Eigentlich will ich genau das Gleiche machen, was ich seit mehr oder weniger 13 Jahren mache. Nur für mehr Auftraggeber und irgendwie auch mit mehr Selbst…wert? Ich hab immer gedacht, ich hangel mich so hin und her und mach Krams, den fast jede:r könnte. Nur, dass die meisten eben einen 9-to-5-Job haben und sich darum damit nicht beschäftigen. Selbstwahrnehmung. Und jetzt möchte ich das ändern. Hin zu “Ich habe besondere Talente, ich kann Dinge besonders gut oder schneller als andere, weil sie mir leichter fallen und darum werde ich mich jetzt als Expertin und Fachkraft sehen”.

Aber mir fällt dieser Mindset-Wechsel total schwer. Ich kann mir ganz schwer vorstellen, dass ich nicht nur angemessen sondern sogar gut bezahlt werden sollte. Ich habe das Gefühl, ich müsste dafür viel mehr leisten. Viel mehr können. Viel mehr Zertifikate haben. Das stresst mich innerlich nun schon seit drei bis vier Wochen. Es hilft auch nicht, dass mein Umfeld (ja ja, ein Klischee, aber allen voran natürlich Eltern) seit 13 Jahren Dinge sagen wie: “Wenn du denn irgendwann mal was Richtiges arbeitest” (am Anfang), “Willst du dir nicht doch demnächst mal was Richtiges suchen?” (im Laufe der Jahre), “Tja, hättest du mal was Richtiges gemacht.” (in den letzten Monaten/Jahren)

Nun, da ich das so lese, das erinnert mich grob an dieses Model Phasen der Trauer, nämlich die Phasen LEUGNEN, VERHANDELN, DEPRESSION/AKZEPTANZ

Es geht zu Ende

Und nun merke ich, dass ich gerade an einen kritischen Punkt komme. Dass ich beim Spaziergang den Tränen nahe bin, weil “mich zu viele Autos überholen”. In meinem 1000-Leute-Dorf weit weg von ner Hauptstraße. Dass man mich abends fragt, was ich zum Mittagessen hatte und ich mich nicht mehr erinnere. Dass ich am Tag an fünf verschiedenen Projekten oder To-Dos gearbeitet habe und nie nur an einem gleichzeitig und irgendwie nichts fertig bekommen habe.

Ich bin eigentlich ganz gut im Multitasken. Und eigentlich stresst es mich auch nichts, sondern macht mir Freude, weil ich mich dann produktiv fühle (an alle lesenden Multitasker:innen: Wir machen uns da natürlich was vor – entweder es dauert länger, weil das Hirn jedes Mal Sekunden bis Minuten braucht, um sich nach dem Switch wieder auf den neuen/alten Task einzustellen oder die Arbeit wird schlechter. Manchmal beides.).

Auf jeden Fall geht es mir wirklich nicht gut. So nicht-gut, dass ich das auch hier schreibe und wenn Menschen (einigermaßen nahe Menschen) mich fragen, ich das auch formulier, weil ich auch irgendwie gar nicht die Energie habe, mir was auszudenken.

Corona-Nachwehen?

Ich hab in Foren und privat in letzter Zeit von vielen gelesen oder gehört, denen es ähnlich geht. Falls das nicht nur selektive Wahrnehmung von mir ist, habe ich eine Theorie.

Kennt ihr das, ihr, die “normal” fest Angestellten, dass ihr viel und auch gern arbeitet, dann aber irgendwann wirklich urlaubsreif seid, dann kommt dieser Urlaub auch – und zack, erste Urlaubswoche krank?

Ich hab die Theorie, dass das so ähnlich mit der Corona Situation sein könnte. Auch wenn viele, psychisch Vorbelastete aber auch Gesunde, in der akuten Zeit, sagen wir mal roundabout Kontaktsperre, wirklich mentale Probleme hatten, hat der Durchschnitt das eigentlich ganz gut weggesteckt. Und ich hatte es ja schon mal geschrieben: Für viele psychisch Kranke war es sogar irgendwie erleichternd. Auf jeden Fall haben wir uns größtenteils alle irgendwie so durchgelebt, Stichwort (Unwort) “Neue Normalität”.

Und laut meiner Theorie gehen wir jetzt in Urlaub. Tatsächlich, aber auch im übertragenen Sinne. Unabhängig davon, dass die Fallzahlen steigen, fühlt sich das alles nun weit weg an. Wir kommen zurück zur “Alten Normalität”, nur mit Masken und n bisschen anders. Und wir werden dann erst mal krank. Keine Ahnung, ob das hinhaut, ich habe absolut nichts Belastbares aus der Wissenschaft dazu.

Auge Verschwörungserzählungsmenschen: Wenn die Wissenschaft dazu rein gar nichts hat, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass (m)eine Theorie Bullshit ist. –

Nur eine persönliche kleine Theorie, die es für mich nicht nur greifbarer sondern irgendwie auch aushaltbarer macht.1

So now what?

Ich hab für mich entschieden, dass ich mich das erste Mal seit ich-weiß-nicht-wann strukturieren MUSS. Ich mache mir nun Abends den Plan für den nächsten Tag. Und zwar so detailliert wie möglich. Ich habe mir Pausen genau notiert – und heute schon festgestellt, dass ich mich ganz schön zwingen muss, die dann auch wirklich zu nehmen. Mir kamen zwei neue Aufträge und ein privater Termin dazwischen, die relevant genug sind, um den Plan heute zu ändern und eigentlich eingeplante Dinge in den “Wenn es mal passt”-Ordner zu verschieben, die nicht akut sind. Aber eingehalten wird das alles. Ich notier mir akribisch wie eine Buchhalterin die genauen Uhrzeiten, wann meditiert wird. So weit ist es schon. Und wann es zu Facebook geht.

Gerade brauche ich das sehr, weil ich mich die letzten Wochen nur müde und schlimmer noch – neutral gefühlt habe. Neutral mag ich gar nicht. Gut ist ok, schlecht ist ok.

Aber bitte nicht neutral.

1 Kann ja auch wohl kein Zufall sein, dass es mir schlechter geht, seit Drosten im Urlaub ist, oder? ODER?

Tiffi

Ein Gedanke zu ”In guten wie in schlechten Zeiten

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